Mit Urteil vom 22.02.2023 I R 35/22 hat der BFH eine für international tätige deutsche Unternehmen wichtige Entscheidung getroffen. Danach können inländische Unternehmen Verluste aus einer im EU-Ausland belegenen Niederlassung nicht steuermindernd mit im Inland erzielten Gewinnen verrechnen, wenn nach dem einschlägigen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für die ausländischen Einkünfte kein deutsches Besteuerungsrecht besteht. Das gilt auch dann, wenn die Verluste im Ausland steuerrechtlich unter keinen Umständen verwertbar und damit “final” sind (sog. finale Verluste). Dies verstößt nicht gegen das Recht der Europäischen Union.
In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte eine in Deutschland ansässige Bank im Jahr 2004 in Großbritannien eine Zweigniederlassung eröffnet. Nachdem die Zweigniederlassung jedoch durchgehend nur Verluste erwirtschaftet hatte, wurde sie im Jahr 2007 wieder geschlossen. Da die Filiale niemals Gewinne erzielt hatte, konnte die Bank die in Großbritannien erlittenen Verluste dort steuerlich nicht nutzen.
Der BFH führte aus, dass die Verluste auch in Deutschland nicht nutzbar sind. Denn nach dem einschlägigen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unterliegen Betriebsstätteneinkünfte aus Großbritannien nicht der deutschen Besteuerung. Entscheidend ist dabei die sog. Symmetriethese, nach der die abkommensrechtliche Steuerfreistellung ausländischer Einkünfte sowohl positive als auch negative Einkünfte, also Verluste, umfasst. Vergleichbare Regelungen enthalten eine Vielzahl der von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen.
Wie der BFH nach Anrufung des EuGH weiter entschied, verstößt dieser Ausschluss des Verlustabzugs auch im Hinblick auf sog. finale Verluste nicht gegen das Unionsrecht.
Ursprünglich gingen allerdings sowohl der EuGH als auch der BFH davon aus, dass aus Gründen der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit ein Verlustabzug möglich ist, wenn und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im ausländischen Betriebsstättenstaat “final” sind. Das EuGH-Urteil Timac Agro Deutschland vom 17.12.2015 - C-388/14 war sodann vom BFH (Urteil vom 22.02.2017 I R 2/15, Pressemitteilung Nr. 031/17) als Aufgabe dieser Rechtsprechung verstanden worden. Nachdem jedoch aufgrund weiterer EuGH-Entscheidungen daran Zweifel aufgekommen waren, hatte der BFH den EuGH erneut zur Klärung angerufen. Dieser hat mit Urteil vom 22.09.2022 - C-538/20 sein Urteil Timac Agro Deutschland -und damit im Ergebnis die Aufgabe der früheren Rechtsprechung- bestätigt.
(Auszug aus einer Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs)